| | ,,Wie ein
Kind von der Mutter nur geleitet wird, den ersten Schritt aber allein
tun muß, so kann ich Ihnen nur helfen, nur Wegweiser sein.“
,,Sie können
viel zuviel, Sie müssen erst einmal alles vergessen, um auf den
Boden der Kunst zu kommen.“ (3. 10. 1946)
,,Ein Kopf
muß aufgebaut sein wie ein Gebäude, mit Flächen und
Winkeln; eine Auffassung des dargestellten Menschen muß vorhanden
sein.“ (10. 10. 1946)
,,Seit die
Anatomie erfunden worden ist, hat es in der Kunst immer mehr nachgelassen.
Sie müssen alles ahnen, das Wissen schadet oft.“ (12. 10.
1946)
,,Ein Porträt
muß bis zum Schluß die Frische bewahren, den Duft; es muß
blumig sein, sonst ekelt es einen an wie ein abgegriffenes Buch.“
(17. 10. 1946)
,,Achten
Sie auf die Korrespondenz der Linien. Eine Linie erfordert immer eine
Gegenlinie. Bei einer Plastik brauchen Sie gar nicht ,literarisch‘
zu werden, das Thema liegt in der Poesie der Linie beschlossen.“
,,Ein Porträtkopf
muß so plastisch wirken, daß, wenn Sie ihn in die Hand nehmen
und zerdrücken wollten, Sie das Gefühl hätten, er leistete
inneren Widerstand.“ (24. 10. 1946>
,,Man muß
zuerst das zeichnen, worauf die Figur ruht, das Tragende, Statische.
Darauf baut sich jegliche Bewegung auf; auch da ergibt sich wieder die
Korrespondenz, Bewegung und Gegenbewegung.“ (5. 11. 1946)
,,Ein Akt
muß immer so umgeformt werden, daß er nicht mehr ,ausgezogen‘
wirkt, er muß seine Jungfräulichkeit behalten.“
,,Ein Stein
ist, neu bearbeitet, eine Nebelwand, er besteht, wie Nebel, aus lauter
Kristallen, und daraus müssen Sie die Gestalten erahnen, erfassen.“
(16. 11. 1946)
,,Ein Akt
hat nicht nur Rundungen, sondern auch Flächen, und gerade dadurch
ist er aufgebaut, hat er Spannung.“ (15. 12. 1946) ,,Viele geistig
an sich hochstehende Menschen können oft nicht entscheiden, ob
eine Arbeit gut oder schlecht ist, weil sie den Geist, der in der Natur
wie in allem Geschaffenen ist, nicht erfaßt haben. Sie sind auf
abstrakt geistigem Gebiet wohl durchgebildet, aber die lebendige Verbindung
zum schaffenden Geist in der Natur fehlt ihnen, gerade das, was den
Griechen ganz natürlich war.“ (4. 2. 1947)
,,Michelangelo
wollte in seiner Jugend durch die Wirklichkeit der Körper seine
Gedanken aufzeigen ... Am Ende seines Lebens zeigte er die Idee an und
für sich‘ befreit vom Irdischen.“
,,Arbeiten
Sie keine ,Studien‘, Sie werden nur verdorben dadurch; ich selbst
habe Jahre gebraucht, um den ,Münchner Zopf‘ loszuwerden!“
(4. 2. 1947)
,,Bei der
Plastik hängt eine Form in der anderen, wie die Glieder einer Kelle.“
(4. 2. 1947)
,,Die Form
verzehrt das Stoffliche; Form muß alles werden, entstofflicht,
bevor es wiedergeboren wird als Kunstwerk.“ (12. 2. 1947)
Bei Betrachtung
einer Plastik:
,,Dies Mädchen ist nicht die Göttin, die es zu sein vorgibt.
Es fehlt ihm der Hauch der Unnahbarkeit, dies Haltgebieten und Atemberauben,
das von den wirklichen Götterbildern uns anweht; in den Gesten,
den Bewegungen liegt nicht diese Größe, sie kommt aus tieferen
Gründen.“
,,In Materialien,
wie Holz und Terrakotta, ist immer das Atmende, Durchlässige spürbar
und bestimmt die Wirkung der Plastik ebenso wie das unendlich langsam
wachsende Material des Granits, das dadurch dieses Undurchdringliche,
fast alpdruckhaft Monumentale an sich hat. Da sein Atem kaum noch geht,
nimmt er ihn uns auch, wenn wir vor ihm stehen! Atmender Materie dürfen
wir bei Patinierung und farbiger Behandlung nie die Poren verschließen,
es muß alles transzendent bleiben.“ (1. 10. 1947)
,,Allein
auf die Umrisse kommt es an; wenn die von jeder Ansicht leben und erfüllt
sind, dann ist es auch die Plastik; darum nur wieder Umrißzeichnung,
sie enthält den ganzen Körper.“
,,Sie sollen
nicht die einzelnen Körperteile erfassen und nebeneinander hinzeichnen,
sondern die Idee der Bewegung, die Idee des Körpers in den großen
Linien begreifen, ein organisches Gebilde schaffen.“ (15. 10. 1947)
Zu einem
Plastikentwurf in Blau:
,,Blau ist keine körperliche Farbe, Sie können nichts Konkretes
damit darstellen. Was ist denn Blau?! Die Luft, der Äther, die
Berge in der Ferne, alle nicht faßlichen Dinge. — Ich sehe
nur ein Loch da, wo Sie die Plastik bezeichnet haben; denn durch das
Blau ist sie weit weit entfernt von mir. Braun ist im Bild immer warm‘
es ist eine schwere Farbe, zu schwer, um augenblickliche Gedanken und
Einfälle festzuhalten; es ist sinnlich, während blau unsinnlich
ist.“ (15. 2. 1947)
,,Man muß,
um es in einer Sache zu einer gewissen Vollkommenheit zu bringen, sich
eine Zeitlang ganz damit durchdringen, sie von allen Seiten immer wieder
in Angriff nehmen. So müßten Sie z. B.‘ um eine gute
Vase zu bauen, lange Zeit Vasen machen. Dann bekommen Sie langsam die
Idee von der Vasenform.“
Korrektur
von Kruzifix-Entwürfen:
,,Ich verstehe die Art dieses realistisch ans Kreuz Geschlagenen, die
ja auch die Expressionisten öfters hatten, sehr gut: das Fleisch
wird ans Kreuz geschlagen, damit der Geist frei sei von allem Kreatürlichen.
Für mich aber steht am Anfang der Bibel: Und Gott schuf den Menschen
nach seinem Ebenbild. So ist der Mensch über das Kreatürliche,
das tierische Sein erhoben, und muß nicht so sein Geist auch die
Form, den Körper, bilden? Nicht vegetativ geworden, nein, geformt,
gebaut ist der Mensch, und nur so empfinde ich ihn. Darum sind mir die
Griechen, ist mir Goethe so nahe, und die mich als Lehrer wählen,
werden auch diese Auffassung haben!“ (18. 10. 1947)
,,Man muß
auch Mut zum Konservativsein haben; das ist sehr schwer, und die es
nicht können, wissen schon, daß sie es nicht dürfen,
um ihre Schwäche nicht zu zeigen. So verlange ich von einem guten
Porträt nicht nur eine gute plastische Auffassung, sondern auch
äußere Ähnlichkeit und vor allem das Sichtbarwerden
des Wesentlichen, das von den Menschen ausgeht“ (24.10. 1947)
Zu einem
neuen Schüler:
,,Sie müssen erst eine Zeitlang hier arbeiten, um die geistige
Grundhaltung, die Atmosphäre zu spüren, in der wir leben,
Sie müssen viel in Museen gehen, in Theater, Konzerte, Vorträge,
um zu verstehen, was nur schon die reine Form aus-drücken kann
... Sie müssen erst einmal Angst bekommen, richtige Angst vor dem,
was Sie schaffen wollen, eine Furcht, die die Ehrfurcht ist vor den
einfachen Dingen, vor einer Wange, vor einem Nasenflügel, vor dem
Bogen des Jochbeins. Aber auch vertrauend müssen Sie sein —
Dann erst werden Sie anfangen können zu arbeiten ... Musik können
wir nur hören, wenn ein Musiker da ist, der sie komponiert —
und ein Instrument, auf dem sie erklingen kann. — Wir wollen hier
nichts weiter tun, als das Instrument bauen ... Man müßte
ein Museum errichten, in dem neben eine griechische Vase eine dilettantische,
neben eine mykenische Keramik eine neuzeitliche gestellt würde.
Dann würden die Menschen eher begreifen, was gut und schlecht ist.
Das müssen Sie erst einmal verstehen lernen, diesen kaum meßbaren,
mit Worten nicht zu sagenden Unterschied, diese Nuancen zwischen Vollendung
und Mittelmaß ... Was diesem Corpus vor allem fehlt, ist dies:
man fühlt nicht, daß es ein Christusleib ist. Sehen Sie diesen
Torso an: Noch sind Arme und Beine, die Kopfhaltung nur angedeutet —
und doch: aus den Formen wächst mir der Christus entgegen; das
ist, was ich das Geistige der Form nenne, das eigentliche
Geheimnis des Kunstwerks ... Man kann die Plastik ein Mosaik von Licht
und Schatten nennen. Wie die Flächen dem Licht zu- oder abgewandt
sind — das bildet die Form und gibt das Leben.“ (24. 10. 1947)
,,Es gibt
Künstler, und es sind meist hochbegabte, die immer experimentieren
müssen, immer etwas Neues, Besonderes bringen wollen und so Versuche
machen bis ins Alter hinein.“
,,Der Körper
ist aus kristallinen und amorphen Formen aufgebaut, und zwar richtet
sich diese Struktur nach der Bestimmung der einzelnen Glieder. So bestehen
die letzten Glieder der Finger, die die feinen Tastnerven in sich tragen,
aus amorphen, die anderen, die zum Umgreifen und Festhalten da sind,
aus kubischen, kristallinen Farmen.“ ,,Bevor ich
eine Arbeit beginne, mache ich unzählig viel Zeichnungen, bis mir
die Form ganz geklärt ist; man muß immer planen, ehe man
beginnt zu arbeiten.“
,,Plastik ist ein Teil der Architektur, Architektur ist innere Musik.“
,,In der
Zeichnung können Sie eine ,gedachte‘ Idee festhalten, sie
ist nur eine Impression, wirkt auf den Beschauer nur als flüchtiger
Hauch; Plastik dagegen ist immer etwas Reales, da können, da dürfen
Sie keine ,gedachten‘, keine ,literarischen‘ Themen bringen.“
,,Die Griechen,
die Ägypter, ja, selbst Michelangelo haben mit Maßen gearbeitet;
wer das Gegenteil sagt, ist ein Hochstapler in der Kunst.“
,,Bei meiner
Plastik gibt es keinen besonderen Inhalt, der Inhalt ist die Plastik
selbst.“ (28. 10. 1947)
Bei Betrachtung
einer griechischen Figur:
,,Diese natürlich gewachsenen Formen, die die Gesetzmäßigkeit
des Aufbaus in sich tragen, erkenne ich doch immer wieder als die erstrebenswertesten
und ewig-bleibenden. Das bewußte Suchen nach neuen Formen wird
leicht zum Manierismus, der zeitbedingt ist. Doch ist er oft notwendig,
als eine Art Morphium, eine Medizin für manche Zeiten. Nur darf
die Dosis nicht zu stark sein, damit sie die eigentliche Grundsubstanz
nicht angreift. Als eine solche Medizin betrachte ich die ganze abstrakte
Kunst, sie dient zur Reinigung und Gesundung.“
,,Der Grund,
auf den wir aufbauen, ist die griechische Kunst, die griechische Kultur
überhaupt. Es ist ein ganz organisches Weiterwachsen aus dieser,
durch das ganze Mittelalter bis heute. Wird diese Entwicklung einmal
abgebrochen, bedeutet es das Ende der europäischen Kultur überhaupt.“
,,Jede Kunst,
wenn sie ernsthaft betrieben wird, bringt Neues hervor, selbst ein Canova‘
ein Schadow, hat in diesem Sinne etwas Neues und Bleibendes geschaffen.“
(20. 1. 1948)
,,Ein Kunstwerk
ist ein Glaubensbekenntnis, aus ihm strömt die Liebe dessen, der
es schuf. Es entsteht nur dann, wenn Sie tief in sich hineinlauschen,
auf Ihr inneres Musizieren hören und es in Formen zum Erklingen
bringen. Aus jeder noch so kleinen Arbeit spüre ich die Welt, die
Sphäre des Menschen, der sie schafft, die Liebe, mit der er sich
seinem Gegenstand zuneigt und der ihn ergreift.“
,,Sie müssen
ein bestimmtes inneres Bild haben, ehe Sie eine Arbeit beginnen. Sonst
wird es Blendwerk, sonst nützt Ihnen alles technische Können
nichts; als Künstler müssen Sie immer Idealist sein!“
,,Je einfacher
eine Arbeit ist, die Sie aufbauen, um so stärker muß Ihr
Form-Talent sein.“
,,So klar
Sie sich vorher über Ihre Arbeit werden müssen, so bewußt
Sie sie bis in Einzelheiten durchdenken — das Schaffen selbst muß
somnambul erfolgen.“
,,Es ist
oft so, daß ein Künstler Gedanken und Aufgaben nachjagt,
die seiner Natur wie ein Gift entgegen sind, und er die Dinge, die um
ihn liegen und gerade seiner Hand als Kunstwerk gleichsam entgegenwachsen,
unbeachtet läßt.“
,,Wenn Sie
eine Idee, ein Traumbild geben wollen, so müssen Sie auch mit den
Formen in dieser Welt bleiben, damit das Geistige nicht zerstört
wird durch die Dichte der Darstellung. Es muß auch formal bei
dem Eindruck einer Inspiration bleiben. Wenn Sie der Idee entstammende
Formgebilde‘ die von dieser den Rhythmus und reinen Klang der Linien
erhalten, durch naturalistische Einzelheiten in die Wirklichkeit zu
ziehen versuchen, werden sie als Naturformen wie als Ideenträger
gleich schlecht.“ (19. 2. 1948)
,,Ihnen ist
die Konstruktion des Halses noch nicht aufgegangen — das kommt,
weil Sie ihn selbst immer zugewickelt haben. Sie kommen dadurch nicht
zum Bewußtsein dieses Körpergliedes. Nur, was Sie frei fühlen,
können Sie auch gestalten. Darum haben die Griechen so herrliche
Körper formen können, sie waren sich ihres Leibes voll bewußt,
sie fühlten ihn, er war auch in den Kleidern noch frei und nackt.
Das Mittelalter besaß dieses Körpergefühl nicht und
konnte darum auch keinen Akt bilden.“ (5. 4. 1948) ,,Kunst ist
Geistigkeit und sinnliches Erleben; beides muß eins werden in
der Arbeit.“
,,Sie können
kein Fragment schaffen; eine Plastik ist immer ein Ganzes, denn jeder
einzelne Teil besteht nur in Beziehung zum anderen, und diese inneren
Beziehun-gen müssen auch aus dem kleinsten Fragment noch sprechen.
Nachträglich kann man eine Arbeit torsieren, um besonders gute
Teile für sich wirken zu lassen; so sind Rodins, Lehmbrucks Torsen
entstanden. Was von Anfang an als Torso modelliert wird, bleibt stets
ein Klumpen Lehm, und die Beziehungslosigkeit bleibt immer spürbar.“
,,Es ist nicht leicht, eine Plastik zu erfinden. Maillol hat hier vielleicht
das Minimum an Phantasie, was man als Bildhauer besitzen muß,
natürlich keineswegs in formaler Beziehung. Rodin dagegen strömt
über von Gestaltungstrieb, allein von seiner Höllenpforte
könnten Generationen von Bildhauern zehren; er ist inwendig ,voller
Figur“‘. (19. 4. 1948) |
| |
| |